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3. Lebenslagen der Adressat:innen von Hilfen zur Erziehung

Die familiären Lebensbedingungen haben einen Einfluss auf die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen. Das haben verschiedene empirische Studien deutlich herausgestellt. Familienformen, die sozioökonomische Lage sowie der Migrationsstatus stehen hier in einem besonderen Fokus, weil spezielle familiäre Bedingungen, wie der Status „Alleinerziehend“ sowie materielle Belastungen der Familie, aber auch der Migrationshintergrund, nicht nur soziale Disparitäten fördern, sondern auch Risikolagen darstellen können.1 Der Bildungsbericht 2024 verweist erneut darauf, dass gerade Kinder und Jugendliche, die in Alleinerziehendenhaushalten aufwachsen, überproportional häufig von finanziellen, sozialen und bildungsbezogenen Risikolagen betroffen sind.2 Sozioökonomisch belastete Lebenslagen und damit einhergehende ökonomische Ungleichheiten mit der Folge von sozialen Ausgrenzungsprozessen wirken sich zudem auf die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen, aber auch auf das Erziehungsverhalten von Eltern aus. Zudem belastete die Coronapandemie Familien verstärkt, was sich auf die familiären Lebenslagen und das Wohlergehen der Kinder negativ auswirkte.3 Wenngleich noch nicht abschließend erforscht, so sind hier doch die Folgen von prekären Lebenslagen auf der einen sowie Bildungserfolg, Arbeitslosigkeit, Gesundheit, Freizeitgestaltung, delinquentes Verhalten, Sozialkontakte oder auch familiäres Zusammenleben bis hin zu Erziehungsstilen und Kindesvernachlässigungen auf der anderen Seite belegbar.4 Dies bestätigen auch empirische Befunde zu der Lebenslage Migration: Migration ist zwar nicht per se ein Indikator für (soziale) Benachteiligung. Gleichwohl zeigen Studien, dass Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund und ihre Familien häufig in entwicklungsgefährdenden Kontexten leben, die auf sozialstrukturelle Bedingungen wie Armut, Arbeitslosigkeit der Eltern und sozialräumliche Segregation sowie auf gesellschaftliche Ausgrenzung und die damit verbundenen psychosozialen Risiken zurückgehen können.5 Der Bildungsbericht 2024 stellt hierzu ebenfalls fest, dass Kinder mit Migrationshintergrund überproportional häufig in sozialen, finanziellen und bildungsbezogenen Risikolagen aufwachsen und verweist speziell mit Blick auf die Kinder- und Jugendhilfe in diesem Zusammenhang auch auf die Gruppe der unbegleiteten ausländischen Minderjährigen (UMA).6 Hinsichtlich dieser Adressat:innengruppe kann darüber hinaus laut dem im Mai 2023 veröffentlichten Bericht der Bundesregierung zu der Situation von UMA eine Trendwende mit wieder steigenden Inobhutnahmezahlen von UMA seit 2021 beobachtet werden.7 Somit ist davon auszugehen, dass die zukünftigen veröffentlichten amtlichen Daten zu den Hilfen zur Erziehung ebenfalls eine stärkere Zunahme von Hilfeleistungen für UMA ausweisen werden.

Berücksichtigt werden für die Auswertungen und Analysen in diesem Kapitel vorrangig die im Jahr 2022 begonnenen Leistungen der Hilfen zur Erziehung. Damit erfolgt eine Aktualisierung der Grundauswertungen zu den Lebenslagen der Adressat:innen im Rahmen des „Monitor Hilfen zur Erziehung“. In Abschnitt 3.1 werden die familiären Verhältnisse beleuchtet, in Abschnitt 3.2 die wirtschaftliche Situation sowie in Abschnitt 3.3 der Migrationsstatus.

Literatur:

Autor:innengruppe Bildungsberichterstattung (Hrsg.) (2024): Bildung in Deutschland 2024. Ein indikatorengestützter Bericht mit einer Analyse zur beruflichen Bildung. Bielefeld.

[BMSFSJ] Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (2023): Bericht der Bundesregierung über die Situation unbegleiteter ausländischer Minderjähriger in Deutschland. Verfügbar über: www.bmfsfj.de/resource/blob/226298/d7892947d8ee39cc1b91503ed9dd234c/bericht-der-br-unbegleitete-auslaendische-minderjaehrige-in-deutschland-data.pdf; [06.06.2024].

Buechel, C./Nehring, I./Seifert, C./Eber, S./Behrends, U./Mall, V./Friedmann, A.(2022): A cross-sectional investigation of psychosocial stress factors in German families with children aged 0-3 years during the COVID-19 pandemic: initial results of the CoronabaBY study. In: Child Adolesc Psychiatry Ment Health 16, 37. Verfügbar über: https://doi.org/10.1186/s13034-022-00464-z; [02.07.2024].

Bundesjugendkuratorium (2013): Migration unter der Lupe. Der ambivalente Umgang mit einem gesellschaftlichen Thema der Kinder und Jugendhilfe. Stellungnahme des Bundesjugendkuratoriums zu Migration. München. Verfügbar über: bundesjugendkuratorium.de/data/pdf/press/Stellungnahme_Migration_81113.pdf; [06.06.2024].

Heintz-Martin, V./Langmeyer, A. (2020): Economic Situation, Financial Strain and Child Wellbeing in Stepfamilies and Single-Parent Families in Germany. In: Journal of Family and Economic Issues, H. 2, S. 238-254.

Jentsch, B./Schnock, B. (2020): Kinder im Blick? Kindeswohl in Zeiten von Corona. In: Sozial Extra, H. 5, S. 304–309. Verfügbar über: doi.org/10.1007/s12054-020-00315-1; [11.07.2024].

Laubstein, C./Holz, G./Seddig, N. (2016): Armutsfolgen für Kinder und Jugendliche. Erkenntnisse aus empirischen Studien in Deutschland. Bielefeld.

Lochner, S./Jähnert, A. (Hrsg.) (2020): DJI Kinder und Jugendmigrationsreport 2020. Datenanalyse zur Situation junger Menschen in Deutschland. Bielefeld.

Rauschenbach, T./Bien, W. (Hrsg.) (2012): Aufwachsen in Deutschland. AID: A – Der neue DJI-Survey. Weinheim und Basel.

Rauschenbach, T./Züchner, I. (2011): Lebenslagen von Kindern und Jugendlichen in Deutschland. In: Münder, J./Wiesner, R./Meysen, Th. (Hrsg.): Kinder- und Jugendhilfe. 2. Auflage. Baden-Baden, S. 13-39

  1. Vgl. Autor:innengruppe Bildungsberichterstattung 2024, S. 47ff.; Rauschenbach/Bien 2012
  2. Vgl. Autor:innengruppe Bildungsberichterstattung 2024, S. 47f.
  3. Vgl. Jentsch/Schnock 2020; Buechel u.a. 2022; Ladberg 2022
  4. Vgl. Heintz-Martin/Langmeyer 2020; zusammenfassend Laubstein u.a. 2016; Rauschenbach/Züchner 2011
  5. Vgl. Lochner/Jähnert 2020; Bundesjugendkuratorium 2013
  6. Vgl. Autor:innengruppe Bildungsberichterstattung 2024, S. 47ff.; Rauschenbach/Bien 2012
  7. Vgl. BMFSFJ 2023